Qualzucht bei Hund und Katze
Wenn Leid gezüchtet wirdRasselnder Atem, Hautfalten über den Augen, Stummelschwanz: Was auf den ersten Blick niedlich erscheint, fügt unseren Lieblingen in Wirklichkeit großen Schaden und Leid zu. Viele dieser Merkmale sind gegen die Natur und hindern Tiere an einem artgerechten Leben. Hier erfahrt ihr alles über Qualzucht, ihre Hintergründe und was ihr dagegen tun könnt.
Definition: Ab wann spricht man von Qualzuchten?
Es handelt sich um eine beabsichtigte Verpaarung und Vermehrung von Tieren, die Erbanlagen in sich tragen, welche zum Ausbruch von Krankheiten oder sonstigen Schädigungen führen.
Hier ist zu betonen, dass viele Qualzuchten nicht auf den ersten Blick als solche erkannt werden. Sehr oft handelt es sich um äußerlich nicht sichtbare Schädigungen. Erbkrankheiten werden genauso oft unbemerkt weitergegeben wie Deformationen von Skelett oder Organen. Durch Qualzuchten werden wissentlich oder unwissentlich Schmerzen des Tieres, Fehlbildungen und Tierleid zur Optimierung des Zuchtzieles in Kauf genommen.
Was sind Qualzucht Merkmale?
Wenn das Tierschutzgesetz zum Wohl der Tiere ausgelegt wird, lassen sich Qualzuchtmerkmale leicht identifizieren. Es existieren juristische Gutachten, die 15 Katzenrassen mit 8 Merkmalen und rund 50 Hunderassen mit 13 Merkmalen beschreiben.
Sie informieren Züchter darüber, wie sie ihrer Verantwortung gerecht werden und den Vorschriften des Gesetzes optimal nachkommen, in erster Linie durch Verzicht auf folgende Merkmale:
- Haarlosigkeit
- Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit
- Kleinwüchsigkeit und Kurzbeinigkeit
- Pigmentveränderungen bei Fell und Augen.
Außerdem zählen als symptomatische Merkmale wie Atembeschwerden und Atemnot, Haut- und Bindehautentzündungen, Deformationen von Körper, Gebiss oder Schädel und Lähmungen dazu. Besonders Hunde betreffende Merkmale sind Deformationen der Hüfte (Hüftgelenksdysplasie), Hängelider, Pigmentstörungen, Zystenbildung am Rücken, Delution (wässrige Aufhellungen der Augen und des Fells), Teacup (übermäßige Züchtung von Kleinwuchs) und extreme Hautfaltenbildung im Gesicht und den Extremitäten.
Besonders Katzen betreffende Merkmale sind Kurzschnäuzigkeit, Kurzschwänzigkeit, Anomalien des Haarkleides, Faltohren sowie Deformationen der Wirbelsäule.
Wie stark die Merkmale ausgeprägt sein müssen, um als Qualzüchtungen zu gelten, wird nicht explizit erklärt, jedoch müssen sie zu schweren Folgen für das Tier führen.
Allen Qualzucht Merkmalen ist gemeinsam,
- dass die betroffenen Tiere einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen,
- dass sie mehr Pflege und häufigere tierärztliche Behandlungen benötigen,
- dass die Defekte zu Schäden, Schmerzen oder Verhaltensstörungen,
- dass sie zum frühzeitigen Tod führen können.
Unterschied: Qualzucht Rasse und Qualzucht Individuum
Wir sprechen hier nicht nur von der Zucht einzelner Tiere, die die leidvollen Merkmale tragen. Oft ist es die gesamte Population einer Rasse, die den gewissen Phänotyp zeigt. Tragisch ist, dass über das Erbmaterial die qualvollen Merkmale über viele Generationen weitergegeben werden und kaum mehr durch Rückzucht zu beheben sind.
Zu einer Qualzucht Rasse zählt man alle Rassen mit solchen Zuchtstandards, die Tierleid verursachende oder gesundheitsgefährdende Faktoren in Kauf nehmen, um das Zuchtziel zu erreichen.
Zu Qualzucht Individuen zählt man sowohl Tiere, die körperliche und psychische Qualzucht Merkmale zeigen, aber auch jene, die Träger der Erbanlagen sind, ohne dass sie diese Merkmale zeigen.
Welche Rassen gehören zu den Qualzuchten?
In erster Linie denken wir an Hunde und Katzen, wenn von Qualzuchten gesprochen wird. Doch macht diese auch bei anderen Säugetieren wie Kaninchen nicht halt. In diversen Listen werden auch Reptilien und Vögel genannt.
Folgende Rassen solltet ihr kennen und sofort als Qualzuchten identifizieren, wenn sie euch begegnen:
Qualzuchten bei der Katze: Welche Rassen sind problematisch?
Mit einer Qualzucht Katze sind vor allem Individuen gemeint, die eine abnorm verkürzte Schnauze, eine missgebildete Wirbelsäule und Faltohren zeigen. Immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik gelangt die Scottish Fold Qualzucht. Was auf den ersten Blick niedlich erscheint – die schon im Welpenalter nach vorne gekippten Ohren – bedeutet für das Leben der Katze eine Qual. Denn das Ohrenkippen ist nur möglich durch die programmierte Zerstörung des körpereigenen Knorpelgewebes.
Weiters von Qualzüchtungen betroffene Rassen sind Perserkatzen (Kurzschnäuzigkeit), Rexkatzen (Fellanomalien), Sphinxkatzen (Verlust der Tasthaare) und Bobtail Katzen (Verlust des Schwanzes).
Qualzuchten beim Hund: Welche Rassen gehören dazu?
Unter einem Qualzucht Hund versteht der Tierschutz vor allem die besonders grausame Französische Bulldogge Qualzucht. Das Tier leidet aufgrund der Kurzköpfigkeit unter Atemnot, was sich durch rasselnden Atem, Schnarchen und Röcheln bemerkbar macht. Weiters problematisch sind alle Ridgebacks (Hunde mit „Rückenkamm“) und Teacups (extrem kleinwüchsig gezüchtete Hunde – nur kleinste und schwächste Tiere werden gepaart) wie Chihuahua, Yorkshire Terrier oder Pudel. Zu Qualzuchtrassen gehören auch Merle-Hunde (Hunde mit dem Dilutionsgen, das eine Aufhellung der Pigmentierung bewirkt) wie Australian Shepherd, Deutsche Dogge und Collies. Allerdings ist dies nur problematisch, wenn bei der Zucht beide Elternteile Träger des Gens sind.
Wegen Kurzschnäuzigkeit problematisch sind Mops, Französische und Englische Bulldogge. Blue-Line-Rassen (mausgraues bis anthrazitfarbenes Fell durch eingekreuzte Dilutionsgene) wie Weimaraner, Deutscher Schäferhund (Hüftdeformationen) und der Dackel aufgrund der angezüchteten Kurzbeinigkeit finden ebenso Aufnahme in die Liste.
Qualzuchten bei anderen Heimtieren
Bei Kaninchen: Angorakaninchen und Widderkaninchen
Bei Vögeln: Kropftauben
Bei Reptilien: Silkbacks oder Leatherbacks bei Bartagamen (Schuppenlosigkeit oder Schuppenarmut)
Wie kommt es zu Qualzuchten?
Das hinter Qualzüchtung liegende Problem sind die Rassestandards. Nach diesen werden die Elterntiere ausgesucht und gepaart. Je exakter das Ergebnis an die Standards heranreichen, umso erfolgreicher sind die Zuchtbetriebe bei Wettbewerben und umso mehr finanzieller Gewinn ist zu erwarten. Ob ein Tier gesund ist oder nicht, ist dabei sekundär, in erster Linie zählt sein äußeres Erscheinungsbild. Für den profitablen Weiterverkauf der Tiere werden Krankheiten, Schmerz und Verhaltensauffälligkeiten in Kauf genommen. Dies ist umso leichter möglich, als man diese bei äußerer Betrachtung nicht wahrnehmen kann und sie sich erst später zeigen.
Zudem kommen die seltsamen Modetrends, die auch vor Heimtieren nicht Halt machen. Um diese zu erreichen, müssen oft extreme Inzucht und in Folge Qualzüchtung betrieben werden.
Wie kommt es zu Überzüchtung?
Wenn es zu einer züchterischen Übersteigerung kommt, um ein Leistungs-, Wesens- oder äußeres Merkmal zu erzielen, spricht man von Überzüchtung. Züchter wählen Elternpaare mit den dem Zuchtziel möglichst entsprechenden Merkmalen. Aus dem neuen Wurf werden wieder jene Individuen zur Weiterzucht zurückbehalten. Oft werden zur Paarung auch Geschwister oder Halbgeschwister verwendet, was dann als Inzucht gilt. Diese Überzüchtung erfolgt auf Kosten der Widerstandskraft der Tiere, zu vermehrtem Stress, zu verminderter Fruchtbarkeit und zu einem schlechteren physischen und psychischen Wohlbefinden. Es kommt zu genetischer Verarmung – man spricht von einem kleinen Genpool.
Was kann man gegen Qualzüchtung tun?
Das Gesetz liefert zwar klare Vorlagen, bleibt aber Konkretisierung schuldig. Damit Qualzuchten vermindert und irgendwann ganz ausbleiben, braucht es ein höheres Bewusstsein für die Problematik in der Gesellschaft. Einem Tierhalter muss in erster Linie das Wohl seines Tieres am Herzen liegen. Letztlich könnten auch die Medien einen wichtigen Teil beisteuern, indem sie bewusstseinsbildend wirken.
Die Rolle der Zuchtverbände und ihrer Mitglieder
Die einzig zu tolerierende Zucht ist leidfreie Zucht und diese ist nur mit vollkommen gesunden Tieren möglich.
Derzeit wird diskutiert, ob eine Weiterzucht mit Qualzuchtindividuen unter Umständen zu befürworten sei. Das wäre dann der Fall, wenn sie einer Mischzucht verwendet werden und in Zukunft, also nach mehreren Zuchtgenerationen, schmerz- und leidensfreie Nachkommen zu erwarten sind. Doch weil dies nicht garantiert werden kann, ist auch diese sogenannte Rückzucht im Sinne des Tierwohls nicht zu tolerieren.
Die Rolle der Konsumenten
Meist ist den Tierhaltern und –innen „nur“ Unwissenheit vorzuwerfen. Wären ihnen das durch ihr Handeln entstehende Tierleid bekannt oder bewusst, würden sie auf den Kauf der Rasse verzichten. Deshalb hilft hier nur Aufklärung und Bewusstmachung. Es ist davon auszugehen, dass Tierliebhaber sich nie bewusst für eine Rasse entscheiden würden, die mit Krankheiten, Leiden, Schmerzen, einer verkürzten Lebenserwartung und hohen Tierarztkosten verbunden ist.
Nur wenn die Nachfrage nach bestimmten Rassen und Rassemerkmalen nachlässt, wird auch Qualzüchtung aufhören. Tierschutzorganisationen empfehlen generell, Mischlinge reinrassigen Individuen und eine Adoption aus dem Tierheim einem Zuchtkauf vorzuziehen. Wenn den Haltern und Halterinnen klar ist, dass sie durch ihr Kaufverhalten Tierleid vermeiden können, werden sich ihre Prioritäten ändern: Gesundheit und tiergerechtes Leben ohne Leid ist wichtiger als das äußere, vielleicht auch drollige und gewünschte Erscheinungsbild.
Die Rolle der Medien
Beliebte Rassen wie der Mops mit seinen großen Augen und seiner kurzen Schnauze werden gern für Werbezwecke benutzt. Dasselbe gilt für die putzig-kleinen Teacup-Rassen oder rundgesichtigen Perserkatzen. Solche Tiere entsprechen stark dem sogenannten Kindchenschema, welches erwiesenermaßen die Halter und Halterinnen besonders anspricht. So kommt es zu einer weiten Verbreitung und Bekanntwerden bestimmter Rassen, die dann zu Moderassen werden.
Ähnliches gilt für Film und Fernsehen und soziale Netzwerke, die nette, vermenschlichende Videos mit Sprechblasen posten. Sie tragen zu einer Verstärkung der Nachfrage bei. Unwissentlich wird so Tierleid gefördert und Schuld für immer extremere Qualzucht auf sich genommen. So tragen Medien als Multiplikatoren eine hohe Verantwortung.
Gesetzliche Bestimmungen und Verbote
Im gesamten deutschsprachigen Raum ist das Ausüben von Qualzüchtung verboten. In Deutschland werden „biotechnische Maßnahmen“ verboten, die bei den Tieren oder ihren Nachkommen Folgen haben wie:
- Körperteile oder Organe fehlen,
- Körperteile oder Organe sind umgestaltet oder untauglich,
- Leiden oder Schmerzen,
- Verhaltensstörungen werden ausgelöst,
- der artgemäße Kontakt führt zu Schäden oder Leiden und/oder
- die Haltung ist nur mit Leid und Schmerz möglich ist.
In Österreich werden ausdrücklich Import, Kauf, Weitergabe und Ausstellung dieser Tiere verboten. In der Schweiz dürfen keine Tiere gezüchtet werden, wenn das Zuchtziel Schmerz, Leid, Verhaltensstörungen oder Schäden auslöst.
Leider lässt auch diese klare Gesetzeslage verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu. Solange der Gesetzgeber nicht konkretisiert, welche Rassen zu den Qualzuchtrassen gehören und diese verbietet, dürfen Züchter und Züchterinnen mit Qualzuchten weitermachen.
Wie steht ihr zu Qualzuchten bei Haustieren? Schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare.
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